Familienleben Alleinerziehend in Coronazeiten Im Rahmen unserer Serie haben wir Mary Dierssen zu der aktuellen Situation von Einelternfamilien befragt. Die Beraterin arbeitet in der Familien- und Sozialberatung, in der Quartiersarbeit und als Coach in der Gartenstadt Süd im Mehrgenerationenhaus Matthias-Claudius für die Neustadtgemeinde der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), sie berät ausschließlich alleinerziehende Frauen. Mary Dierssen ist selbst alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen. Ihr ist besonders wichtig, auch politisch die Lage der Alleinerziehenden zu verbessern. Telefonate beraten. Das hat super geklappt, denn ich habe dadurch gleich einen Einblick in das aktuelle Familienleben bekommen und auch die Kinder im Alltag erlebt. Nach den ersten Lockerungen habe ich die Methode Walk & Talk ausprobiert und mich mit den Frauen und ihren Kindern im öffentlichen Raum verabredet: So gab es viele neue soziale Räume, um meine Arbeit fortzusetzen. An der frischen Luft zu sein und sich zu bewegen macht den Kopf frei und sorgt für so viel Klarheit, die ich im Büro in der Kürze der Zeit gar nicht bekomme. © Karsten Klama Kinderzeit Bremen: Wie sah Ihr beruflicher Alltag vor den Kontakteinschränkungen durch Corona aus? Mary Dierssen: Ich würde sagen sehr klassisch: Ich habe 34 Stunden in der Woche gearbeitet, hatte viele Außentermine, verschiedene Netzwerktreffen und habe viel in meinem Büro gecoacht und beraten. Wie hat sich Ihre Arbeit in der Coronakrise verändert? Ich musste mich von jetzt auf gleich durch Corona neu orientieren. Da eines meiner Kinder ein Risikokind ist, war klar, dass ich aus dem Homeoffice arbeite und keine Außentermine wahrnehme. Nach einigem Zurechtruckeln habe ich gemerkt, dass es vieler kreativer Ideen bedarf, um meine Coaching- und Beratungsarbeit mit den Einelternfamilien fortzusetzen. Denn die Situation war ja nicht nur in meinem Alltag schwierig, sondern auch für die Frauen, die zu mir in die Beratung kommen, und die konnte ich auf gar keinen Fall hängenlassen. So habe ich zunächst sehr viel telefonisch beraten, allerdings fehlte mir das Gegenüber, die Mimik und Gestik. Ich habe mich dann ziemlich bald für Zoom-Konferenzen entschieden oder die Frauen über FaceTime- Für die alleinerziehenden Mütter war es toll, dass sie ihre Kinder während der Beratung nicht „wegorganisieren“ mussten. Den Frauen hat es gutgetan, raus aus der Isolation zu kommen, sich wieder mit Menschen zu treffen und gleichzeitig „Me-Moments“ und Selbstpflege zu betreiben. Das ist ein großes Thema bei meiner Arbeit: sich selbst zu finden, zu reflektieren und die Situation handhaben zu können. Das werde ich auf jeden Fall nach Corona auch weiter machen. Wie erging es den Frauen, die Sie beraten? Was waren die größten Sorgen? Viele hatten große Sorgen, sich selbst anzustecken, viele waren total überlastet durch die Situation. Sie mussten ja plötzlich alles das übernehmen, was normalerweise die Gesellschaft vorgibt: Der Schul-Tagesablauf, die Essenszeiten, die ja in Ganztagsschulen Da sein,wenn , s rauf und runter geht. Wegbegleiter gesucht! Wir von PiB beraten, qualifizieren und begleiten Sie dabei, Kinder und Jugendliche für kurze oder lange Zeit zu unterstützen. pib-bremen.de Tel. 0421 95 88 200 22 kinderzeit-bremen.de
selbstverständlich sind. Ihnen fehlte die Zeit, sich auf ihre Themen zu konzentrieren oder sich einfach mal auszuruhen. In dieser Zeit haben wir auch zusammen mit den Kindern Videokonferenzen gemacht und ich habe mit der Mutter im Tandem überlegt, was sich die Mütter und die Kinder wünschen und wie wir das zusammen hinbekommen. Es war toll zu sehen, wie gut es tut, nicht nur die Mütter, sondern die ganze Familie zu beraten. Das war vorher so nicht möglich. Ich habe die Einelternfamilien in dieser Zeit engmaschig begleitet und ich konnte in vielen Familien sehen, dass ihnen das gerade in der Lockdownzeit einfach gutgetan hat. Gerade in der Zeit nach den Osterferien wussten die Mütter nicht mehr, was sie mit ihren Kindern machen sollten, es gab ja wenig Freizeitmöglichkeiten, die Spielplätze waren geschlossen. Ich habe dann viel im Netz recherchiert, hab auf Paula+ (Anm. d. Redaktion: Paula+ ist eine Facebook-Initiative des Vereins Arbeit und Zukunft e. V. für alleinerziehende Mütter) sehr viele Freizeitideen gepostet. Damit wollte ich die Stressoren minimieren, um die Streit- und Extremsituationen, die oft zu Eskalationen führen können, im Vorfeld zu vermeiden. Zum anderen gab es aber auch ganz brutale Themen: Die Frauen mussten raus aus Gewaltsituationen, manche Kinder mussten in Obhut genommen werden, weil die Mütter völlig überfordert waren und körperlich oder mental gewalttätig wurden. Alles das, weil sie einfach nicht mehr konnten. Das Spektrum dessen, was ich in der Zeit erlebt habe, war komplett anders und hing ganz oft mit der Coronasituation zusammen. Außerdem habe ich die Frauen dabei unterstützt, sich mit Anträgen für das Jobcenter auseinanderzusetzen oder sie bei Fragen zu Kurzarbeit, bei Stress mit dem Vermieter oder bei Betreuungsfragen unterstützt. Vielen Alleinerziehende ist es ja nach ihrer Trennung schwergefallen, aus der Isolation wieder Fuß zu fassen im gesellschaftlichen Leben. Durch Corona mussten sie nun wieder zurück in eine Isolation, die sie nicht selbst gewählt haben. Viele fühlen sich dadurch fremdbestimmt, ihnen fehlt die Lebensqualität – hier war und ist viel Unterstützung gefragt. Welche Lösungen kann die Politik anbieten, damit Alleinerziehende nicht noch stärker von Armut und Vereinsamung betroffen werden? Ich habe besonders jetzt in der Coronazeit gesehen, dass es ein viel zu geringes Coaching- und Beratungsangebot für Alleinerziehende gibt. Es gibt in Bremen in allen Stadtteilen Alleinerziehende. Die Zahlen kennen wir alle: Jede dritte Familie ist eine Einelternfamilie, Bremen ist das Bundesland mit den meisten Alleinerziehenden. Mütter und Väter, die ihre Kinder allein erziehen, sind permanent an der Belastbarkeitsgrenze. Mutter-Kind- Kuren fallen weg, Ferienfreizeiten fallen weg. Hier ist Politik gefragt, denn Alleinerziehende werden viel zu wenig in den Fokus genommen! Auch als es um die Kinderbetreuung ging, waren Einelternfamilien nicht systemrelevant. Das kann ich nicht verstehen, denn wie soll eine Mutter ihre Nebenjobs (zum Beispiel Putz- oder Kneipenjobs) ausführen, wenn sie schon vor Corona ständig an der Belastungsgrenze war? Für mich ist unverständlich, dass die Bildungsbehörde erst so spät die Betreuung für Alleinerziehende geöffnet hat. Ich wünsche mir, dass alleinerziehend ein Alleinstellungsmerkmal ist, auch bei der Vergabe von Kindergartenplätzen. Ich wünsche mir, dass die Kitas viel flexiblere, das heißt bedarfsorientiertere Betreuungszeiten anbieten! Wenn eine Mutter als Krankenschwester auch in Schichtarbeit arbeitet, braucht sie flexible Kinderbetreuungszeiten. Es dauert einfach viel zu lange, bis sich da etwas ändert. Und ich wünsche mir ein anderes Bewusstsein: Alleinerziehende leisten schließlich einen großen Beitrag für die Generation, für die Gesellschaft von morgen! Das Interview führte Suse Lübker Niedliches Kindergeschirr aus Bambus Spülmaschinengeeignet und sehr leicht. Hemmstraße 192 | 28215 Bremen | Tel. (0421) 37 94 990 KEINE EM? NICHT BEI DEN TEUFELSKICKERN! Die Freunde streben voller Eifer der Fußball- Europameisterschaft entgegen und lernen dabei noch etwas über die vielfältigen Nachbarländer. Überall im Handel, im Streaming und als Download. Weitere Infos unter: www.play-europa.de P & C 2020 Sony Music Entertainment Germany GmbH. Distributed by Sony Music Entertainment. Gestaltung: KB&B - Family Marketing Experts Anzeige Teufelskicker EM familienbande 90x128 v2.indd 1 12.05.20 10:1 23
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